An welchen Tag starb Jesus?

Über das Datum des letzten Abendmahls

 

Ich danke Doris Hoiting für ihre sorgfältige Übersetzung dieses Artikels von der niederländischen in die deutsche Sprache. Für Kritik zum Text und Inhalt bin alleine ich verantwortlich. Diese Übersetzung und den Originaltext finden Sie unter www.beeldengelijkenis.nl.

 

 

If Jesus read the gospel now he would surely say:
“I couldn’t have said it better myself.” 

 

An welchem Tag starb Jesus?

 

Joseph Ratzinger, Benedikt XVI
Jesus von Nazareth
Teil II der Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung
Lannoo, 2011

 

Über „Das Datum des letzten Abendmahls“, S.104-111

 

In diesem Kapitel aus seinem Buch „Jesus von Nazareth", Teil 2, erläutert Benedikt das Problem der Harmonisierung der Chronologien der vier Evangelien. Er fasst sich kurz, da viel Papier und Pixels nötig wären, um dieses Problem zu lösen. Diese Problematik ist dann auch ein komplizierter Wirrwarr von großen und kleinen  Fragen auf dem Gebiet von Datierung, Texterläuterung, Übersetzungsproblemen, historischen Fragen über das Judentum im ersten Jahrhundert und Anderes.


Eines der Probleme ist die Frage:
Starb Jesus am selben Tag / Zeit an dem das jüdische Paschalamm getötet wurde, also am 14. Nissan, oder starb er am Paschafesttag selbst, dem 15. Nissan?
Überraschend in Benedikt Stellungnahme ist, dass er sich - aus Gründen wissenschaftlicher Argumente und Beweisführung - entscheidet, oder besser gesagt, von seinem Gefühl her für die nicht-traditionelle Chronologie entscheiden muss, dass Jesus am 14. Nissan starb.


Dieser Artikel ist eine kritische Stellungnahme zu dieser Frage. 

Die traditionelle Chronologie der Synoptiker von den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas sieht folgendermaßen aus. Ich gebe auch die Tage an, die nach jüdischen Vorschriften vorgeschrieben sind.

 

Donnerstag, der 14. Nissan:
-  Nachmittags Schlachten der Paschalämmer auf dem Tempelplatz
-  Abends nach Sonnenuntergang, also am Freitag nach jüdischer Zählung, dem 15. Nissan,
   Essen des Paschamahls


 Freitag, der 15. Nissan:
- das Paschafest beginnt mit unserem Donnerstagabend;
- Essen des Paschamahls;
- Gefangennehmung;
-  Prozess;
-  Kreuzigung am Nachmittag;
-  Abnehmen vom Kreuz;
-  Grablegung vor Sonnenuntergang (worauf der Sabbat beginnt);


Samstag:
- Sabbat, beginnt mit unserem Freitagabend nach Sonnenuntergang;


Sonntag:
- Die Auferstehung Jesu.

 

Darüber sagt Benedikt: 

„Diese Chronologie ist in diesem Sinne problematisch, da sich die Verurteilung und die Kreuzigung von Jesus am Paschafest vollzogen haben sollte, und dieses in dem selben Jahr auf einen Freitag fiel. Viele Wissenschaftler haben versucht zu beweisen, dass Verurteilung und Kreuzigung vereinbar waren mit den Vorschriften zum Paschafest. Aber trotz aller Kenntnis scheint es doch zweifelhaft, dass an diesem hohen jüdischen Fest ein Prozess vor Pilatus und eine Kreuzigung erlaubt und möglich gewesen sind. Außerdem spricht eine Bemerkung von Markus dagegen. Er sagt, dass die Hohenpriester und Schriftgelehrten zwei Tage vor dem Fest der ungesäuerten Brote eine Möglichkeit suchten, um Jesus durch eine List gefangen zu nehmen und zum Tode zu bringen, während sie sagten: „Nicht auf dem Fest, es sollte kein Aufruhr unter der Bevölkerung entstehen (Markus 14,1 V). Aber in der Chronologie der Synoptiker findet die Verurteilung von Jesus gerade am Fest statt.“ (S.105).

„Gegenwärtig wächst jedoch zunehmend die Einsicht, dass die Chronologie von Johannes geschichtlich wahrscheinlicher ist als die der Synoptiker. Denn, wie gesagt, Verurteilung und Hinrichtung am Fest selbst sind kaum denkbar“ (S.106).

 

Bei Johannes verläuft die Chronologie laut Benedikt anders (S.106):
„Prozess und Kreuzigung finden am Tag vor dem Pascha, am ‚Ruhetag’, statt. Nicht am Fest selbst.“ Bei Johannes starb Jesus dann dem Zeitpunkt, als in den Tempeln die Paschalämmer geschlachtet wurden. „Er starb wie das wirkliche Lamm, das mit den Lämmern assoziiert wird.“ Wie auch Johannes schreibt: ‚Jesus wurde von Kaiphas zum Schlachthaus gebracht. Es war früh am Morgen. Selbst gingen sie nicht hinein, um sich vor dem Pesachmahl nicht zu verunreinigen.’ (Joh.18: 28).

 

Benedikt findet die Vision von John P. Meier überzeugend (A marginal Jew, 1991). Er schreibt und folgt dabei Meier:
„Er kommt zu der Konklusion, dass entschieden werden muss zwischen der synoptischen und der johannitischen Chronologie und er beweist anhand einer umfassenden Quellenuntersuchung, dass die Entscheidung zugunsten von Johannes ausfallen muss. Johannes bemerkt mit Recht, dass die jüdischen Machthaber zum Zeitpunkt des Prozesses vor Pilatus das Paschalamm noch nicht gegessen hatten und sich davor noch kultisch rein halten mussten. Er hat Recht, wenn er sagt, dass die Kreuzigung nicht am Fest selbst stattgefunden hat, sondern am Tag davor. Das bezeichnet, dass Jesus zur Stunde gestorben ist, in der die Paschalämmer in den Tempeln geschlachtet wurden.“ (S.109) ... ... ... ... .... „Er wusste, dass er nicht mehr vom Paschalamm essen konnte. Mit diesem Wissen lud Er die Seinen ein zu einem ganz besonderen Letzten Abendmahl, das keinem einzigen jüdischen Ritus folgte, jedoch sein Abschied war. Dadurch hat er uns etwas Neues, sich selbst geschenkt, was das wahre Lamm und dadurch sein ‚Pascha’ einführte........Eine Sache geht deutlich aus allen Überlieferungen hervor. Der Kern von diesem Abschiedsmahl war nicht das alte Pascha, sondern das Neue, dass Jesus in diesem Zusammenhang vollzog. Auch war das Zusammenkommen von Jesus mit seinen Jüngern kein Paschamahl nach den rituellen Vorschriften des Judentums. Rückblickend gab es einen innerlichen Zusammenhang zwischen Pascha und Tod und Auferstehung Jesu. Es war Jesus eigenes Pascha. In diesem Sinne hat Er das Pascha gefeiert und gleichzeitig nicht gefeiert. Die alten Riten konnte nicht vollzogen werden, als ihre Stunde gekommen war, da Jesus bereits gestorben war“ (S. 110, 111).


Die große Frage in dieser Chronologiediskussion ist, ob sich die Kreuzigung am 14. oder 15. Nissan vollzogen hat, also am Nachmittag, als die Paschalämmer geschlachtet worden sind, oder am (ersten) Tag des Paschafestes selbst und daran verbunden die (Un-) Möglichkeit von Jesus, um selbst das jüdische Paschamahl feiern zu können.
Benedikt scheint der Chronologie von Johannes den Vorzug zu geben, obwohl er zwischen zwei Möglichkeiten hin und her gerissen zu sein scheint. Wir können dies daraus schließen, dass er mehrere Male relativierende Bemerkungen betreffend des jüdischen Paschamahls in Nebensätzen oder zwischen Anführungszeichen verwendet, so z. B.:
„als das letzte Abendmahl von Jesus, das bereits war“ S.130, und „ob es nun ein Paschamahl war oder nicht“, (S.136).
Später jedoch, (S. 167) bei seiner Erörterung des Gesprächs zwischen Jesus und Pilatus, wählt er die mutmaßliche Chronologie von Johannes, dass Jesus zum Zeitpunkt der Schlachtung der Paschalämmer starb, und dass Jesus also kein jüdisches Paschamahl feiern konnte, als Tatsache an. Auch bei der Erörterung des Sterbens von Jesus geht Benedikt selbstverständlich von diesem Zeitpunkt aus: „Es ist die Stunde, in der die Paschalämmer geschlachtet wurden.“ (S.202).

 

Ich bevorzuge die Chronologie der Synoptiker, die die gleiche ist, wie die Chronologie von Johannes. Ich hoffe zu dieser Stellungnahme folgende überzeugende Argumente zu geben.

 

Jesus stirbt „am Tag des Paschafestes“.

 

Wer das synoptische Evangelium in unbefangener Weise liest, kommt nicht auf die Idee, zu bezweifeln, dass das letzte Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern ein jüdisches Paschamahl ist. Die Wiedergabe der drei Evangelisten lässt darüber im Großen und Ganzen keinen Zweifel entstehen. Bei Markus und bei Lukas wird ausführlich beschrieben, dass der Tag anbrach, an dem das Paschalamm geschlachtet wird und dass die Jünger Jesus fragen, wo sie die notwendigen Vorbereitungen treffen sollen um das Paschalamm essen zu können. (Mark.14: 12; Luk.22: 7). Benedikt erkennt dies auch, als er schreibt: „Andererseits ist das Letzte Abendmahl von Jesus so sehr mit der Tradition des Paschamahls verflochten, dass es problematisch ist, den Charakter dessen zu verleugnen“, (S.106) und er sagt: „Natürlich bleibt die Frage, warum die Synoptiker dann über ein Paschamahl gesprochen haben.“ (S.109).

 

1. Benedikt weist darauf hin, dass die jüdischen Machthaber sagten: „nicht am Fest“ (Markus14: 1). In der Beschreibung des Matthäus lesen wir im Kontext zu der Aussage der Machthaber folgendes:
 
Als Jesus seine letzte Rede ausgesprochen hatte, sagte er zu seinen Jüngern:
„In zwei Tagen ist es, wie ihr alle wisst, Pesach. Dann soll des Menschensohn ausgeliefert und gekreuzigt werden.“ In der Zwischenzeit versammelten sich die Hohenpriester und Ältesten des Volkes im Palast des Hohenpriesters Kaiphas. Dort wurde der Plan geschmiedet, Jesus durch eine List gefangen zu nehmen und zu töten. „Jedoch nicht am Fest“ sagten sie, „weil dann kommt das Volk in Aufruhr.“ Matt. 26:1-5.

 

Jesus selbst erklärt hier, dass er am Paschafest ausgeliefert und gekreuzigt werden soll. Inzwischen sagen die Machthaber, wie dies geschehen solle: nicht am Fest. Sie fanden es nicht angemessen, da zuviel Aufruhr im Volke entstehen könnte. Die Aussage von Jesus, dass er am Paschafest sterben sollte, wird hier von Matthäus zielbewusst der Aussage der Machthaber gegenüber gestellt (nicht auf dem Fest). Die Worte Jesu sollten jedoch erfüllt werden, trotz und ungeachtet der bösen Plane der jüdischen Herrscher. Matthäus lässt Jesus ausdrücklich sagen, dass er am Paschafest sterben soll.


Benedikt schreibt: „Aber trotz allen Wissens scheint es doch fraglich, ob auf diesem hohen jüdischen Fest ein Prozess unter Pilatus und eine Kreuzigung erlaubt und möglich gewesen wären (S.105). Er erachtet es als „kaum denkbar“, dass der Prozess und die Hinrichtung aufgrund der Vorschriften zum Fest am Festtag selbst stattgefunden haben könnten.
Wenn man von der Integrität und der Gesetzestreue der jüdischen und römischen Machthaber ausgeht, dann könnte man dies annehmen. Was die Evangelisten tatsächlich wiedergeben in ihrer Beschreibung über die Ereignisse ist das Gegenteil: Integrität und Gesetzestreue waren weit zu suchen. Obwohl die Evangelisten keine „Videokamerageschichte“ beschreiben, kann man doch sagen, dass ihre (prophetische) Wiedergabe von den Ereignissen eine realistische Basis findet in der Geschichte selbst. Die Evangelisten wussten, ebenso als Jesus, „was in den Menschen vorging“, Joh. 2:25.
Die jüdischen Machthaber wollten Jesus hinterlistig gefangen nehmen und töten. Das jüdische Volk war untereinander stark verteilt und zersplittert, die Machthaber im Allgemeinen korrupt (nichts Neues). Wenn den Machthabern die Möglichkeit gegeben wurde Macht auszuüben, taten sie es, auch war dies an einem Festtag selbst.
Wie sich die Hohepriester an das Gesetz hielten, geht aus dem Verhör von Jesus hervor, wo sich ein Hohepriester sein Gewand zerriss und rief: „er hat Gott gelästert“ (Mt.26 :63-65).
Auch Benedikt verweist darauf und zitiert Gnilka: „Als der Hohepriester sein Gewand zerreißt, geschieht dies nicht aus Wut, sondern als vorgeschriebene Äußerung der Empörung vor dem sitzenden Richter bei der Vernehmung von Gotteslästerung“ (Gnilka, Matthäus Evangelium II, S. 429 ). Als Matthäus das Zerreisen des heiligen Gewandes, die durch den Hohepriester an Festtagen getragen wird, beschreibt, will er meiner Meinung nach nicht die Richtigkeit des gesetzlichen Verlaufes bestätigen. Das Verhör war immerhin nicht gerade koscher. Ich denke im Gegenteil, Matthäus ist sich sehr der Macht der Überlieferung bewusst, wodurch das Wort Gottes negiert wird (Matth.15: 6). Und hier geht es um so ein Wort Gottes. Es ist den Hohepriestern unter Androhung der Todesstrafe ausdrücklich verboten, sich ihre Kleider zu zerreißen (siehe Lev 21:10; Lev 10:16). Die Tradition hat dieses Verbot anscheinend überlagert, aber Matthäus scheint hier zu sagen, dass es nicht von Anfang an so gewesen ist (Matth.19: 8).
Hier wurde durch Matthäus das Ende des Levitischen Priestertums mit seinen Tempelopfern angekündigt. Die Leider machten das Maß ihrer Vorfahren voll.
Der Prozess und die Hinrichtung waren eine Farce und verliefen nicht wie ein ehrlicher Prozess verlaufen sollte. Jesus musste verschwinden. Was sie jedoch erreicht hatten war, dass sie Jesus an die Heiden ausliefern konnten (oder an Pilatus). Jesus wurde an diesem Festtag an die Heiden ausgeliefert und durch sie gekreuzigt, ganz in Übereinstimmung mit seinen eigenen Worten und dem Plan Gottes. Hier gilt, die Heiden machten auf das Drängen der Juden ‚das Licht aus’.

 

2. 15. Nissan, der erste Festtag und das Fest des Auszugs Israels aus Ägypten ist ursprünglich ein Tag des Urteils über die Menschheit bzw. Ägypten. Allein das „Blut des Lammes“ konnte Israel und jeden, der sich dem Volke Israel anschloss, retten (siehe Auszugsgeschichte Exodus Kapitel 12).
Der Festtag von Pascha ist also in Wirklichkeit ein Tag des Erschauerns über das Urteil von Gott, wobei Israel mit Angst und Zittern von diesem Urteil verschont wird.
An diesem Tag ließ der Herr zu, dass alle Erstgeborenen von Mensch (und Tier), Nachkommen und Erben von Ägypten, durch den Engel des Todes getötet wurden, wodurch Ägypten keine Zukunft mehr hatte. Ägypten war enthauptet (Ex.12:23,29). Das ursprüngliche Pascha ist ein furchterregender Tag und die Befreiung und der Schutz kam durch Gottes Befehl, Bezug nehmend auf das Paschalamm. Das Urteil Gottes geht an jedem Haus vorbei, an dem der Türpfosten mit Blut verschmiert war.
Jesus dann starb am selben Tag wie die „Erstgeborenen", am 15. Nissan, gerade weil dieser Tag der Tag des Urteils Gottes über die Ägypter war (Exodus 12: 29). Er wurde aus der Gemeinschaft Israels verstoßen, abgeschnitten von Israel, außerhalb des Bündnisses und des Gesetzes gestellt, aus der Synagoge verbannt, „aus dem Haus geworfen“ und in die Arme der Heiden getrieben und wird dem gleichen Urteil unterzogen. Alle vier Evangelisten legten den Nachdruck darauf, dass Jesus ausgestoßen, ausgeliefert und getötet werden musste (z. B. Matth.20:18,19).


Jesus, der Erstgeborene Israels und der Erstgeborene der Schöpfung (Luk. 2:23, Coll. 1:15), wird außerhalb des schützenden Bündnisses von Israel gebracht, an die Heiden ausgeliefert und dem Urteil Gottes unterstellt. Er unterzieht sich diesem Urteil, Er versöhnt und überwindet es. Dieser eine Erstgeborene hat am ‚Tag des Urteils’, am 15. Nissan, das Urteil stellvertretend für alle getragen, für Israeliten und Ägypter und für die gesamte Menschheit.
Er musste „vor dem Tor“ sterben (Hebr. 13: 12,13) und genau an dem Tag, an dem die Erstgeborenen getötet wurden.

 

3. Pilatus selbst gibt an, dass am Tag der Verurteilung das Paschafest stattfindet, Freitagmittag, am 15. Nissan, als er sagt:
„Aber es ist bei euch gebräuchlich, dass jemanden freigelassen wird. Wollt ihr, dass ich den König der Juden freilasse? (Joh. 18: 39, siehe auch Matth. 27: 15; Mark. 15: 6; Luk. 23: 17). Dieses Ereignis, so als Johannes es beschreibt, stimmt überein mit der Beschreibung der Synoptiker, auch bei ihnen findet die Verurteilung am Paschafest selbst statt. Es liegt also kein Grund vor um anzunehmen, dass Johannes hiervon abweichen sollte. Auch er beschreibt die Verurteilung am Paschafest selbst.

 

4. Alles in der Geschichte von Johannes, und ebenfalls bei den Synoptikern, richtet sich auf Jerusalem und Pascha, den 15. Nissan. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem und auch nach Pascha.
- In Kapitel 11, in dem beschlossen wird, einen Mann stellvertretend für ein ganzes Volk zu opfern, so dass nicht ein ganzes Volk verloren geht, und worin beschlossen wird, Jesus zu verhaften, und wenn möglich zu töten. Die Erwartung an das bevorstehende Paschafest ist hoch. Die Juden fragen sich, ob Jesus auch an diesem Feiertag anwesend sein wird oder nicht.
- In Kapitel 12, das mit „Sechs Tage vor dem Pesach ging Jesus nach Betanien“ beginnt. Die Pilger, die nach Jerusalem kamen, reagierten begeistert auf sein Kommen nach Jerusalem.
- Pascha und Jerusalem gehören geschichtlich unzertrennlich zusammen. Jedes Jahr nach dem Paschamahl sprechen die Juden im Exil den Wunsch aus: „Nächstes Jahr feiern wir Pascha in Jerusalem“. Damit drücken sie ihre Hoffnung auf das Kommen des Messias aus.
Wenn Jesus bei Johannes am Tag vor Pascha, dem 14. Nissan sterben sollte, ist dies unlogisch hinsichtlich der großen Geschichtslinie, die in Jerusalem und Pascha mündet, denn nach dem Sterben Jesu kommt Pascha nicht mehr zur Sprache.
 
5. Der Gedanke, dass Jesus ein letztes Abendmahl organisiert, wobei er keinem einzigen jüdischen Ritus folgte, (Benedikt) ist unwahrscheinlich. Jesus, der Messias Israels, der sein ganzes Leben, bis zu seinem Tod am Kreuz, treu nach dem Gesetz gelebt und das Paschafest mit seinem Paschamahl am Abend des 15. Nissan gefeiert hat, nachdem am Tag des 14. Nissan die Paschalämmer geschlachtet wurden, würde jetzt einen völlig neuen Ritus kreieren? Dies ist kaum vorstellbar. Er verlangt innig nach dem Mahl, welches für ihn ein letztes jüdisches Pascha ist. (Luk. 22: 15). Dieses jüdische Pascha war doch auch für Jesus, obwohl Er der Messias war, eine tröstliche Verheißung von seinem Gott von der Erlösung „aus dem Totenreich von Ägypten“, so wie es für das ganze jüdische Volk eine Feier und ein Versprechen der Erlösung war. Jesus sollte das Versprechen an sein Volk einlösen und veränderte nichts an diesem jüdischen Ritus.


Was er wohl tat, war die Bedeutung erklären und erfüllen, die in diesem Ritus enthalten ist: unter anderem die eucharistischen Worte über Brot und Wein.
Der, meiner Meinung nach, forcierte Ausweg nach dieser Vision auf das Letzte Abendmahl als neuer (jüdischer) Ritus, so wie Meier dies vorstellt und von Benedikt gefolgt wird,
geht aus einer fehlerhaften Schlussfolgerung hervor. 
Dass die spätere Redaktion, so wie Meier behauptet, das Letzte Abendmahl (deutlicher) als ein jüdisches Paschamahl beschreibt, rechtfertigt keineswegs die Schlussfolgerung, dass das Letzte Abendmahl also kein jüdisches Paschamahl war. Meier zieht wohl diese Schlussfolgerung (S. 398, Nr. 4).
Dass das Letzte Abendmahl ein jüdisches Paschamahl war, ist jedoch Teil eines gläubigen Zeugnis der Heiligen Schrift. Der Historiker disqualifiziert hier das gläubige Zeugnis der Heiligen Schrift zum Vorteil einer unzuverlässigen historischen Rekonstruktion.       
 
Jesus stirbt im selben Moment wie die Paschalämmer, am 14. Nissan?

 

Es versteht sich von selbst, dass Jesus kein Paschalamm im Sinne des jüdischen Paschalammes ist, das nach den mosaischen und levitischen Vorschriften zu einer bestimmten Zeit und Weise ausgewählt, kontrolliert, geröstet und gegessen werden muss. Dies würde Kannibalismus suggerieren, was nach demselben Gesetz streng verboten ist. Die Evangelisten vermeiden es, Jesus als ein solches Paschalamm zu beschreiben. Doch kommt Jesus als ein Paschalamm zur Sprache und Paulus nennt Christus auch wörtlich so (1. Kor. 5: 7). Hier ist die Beziehung zwischen dem alttestamentlichen (Pascha)Lamm und dem neutestamentlichen „Paschalamm“ an der Tagesordnung.

Nehmen wir an, dass Jesus zum gleichen Zeitpunk als die Paschalämmer zum Bedarf des jüdischen Paschamahls starb, dann würde dies bedeuten, dass Jesus auch an dem Tag starb, wie es in dem mosaischen Gesetz vorgeschriebenen wird. Das Opfer Jesu gleicht so immer mehr einem Opfer, das gemäß der Vorschrift Moses gebracht werden muss:
Es sollte - gemäß den Auslegern - ausgewählt sein am Nachmittag des 10. Nissan (siehe unten unter der Überschrift „der folgende Tag” über Joh. 12:12) und ‚geschlachtet’ am Nachmittag des 14. Nissan.
Ein Paschalamm, das am 14. Nissan geschlachtet wurde, wurde durch die Priester als völlig geeignet gefunden, um als Opfer für das Paschamahl zu dienen. Jesus wurde, im Gegensatz zu den geschlachteten Paschalämmern, als völlig ungeeignet und unerwünscht gefunden.
Wie gesagt, könnte eine solche Opfervision Kannibalismus suggerieren und völlig dem Gesetz widersprechen. Jesus starb nicht gemäß den Vorschriften für das Paschalamm und daher auch nicht am 14. Nissan. Hierzu noch einige Anmerkungen.

 

1. Die Schlachtung der Paschalämmer ist eine Spiegelung dessen, was sich im Leben Jesu ereignet hat. Es handelt sich im Exodus und in der Paschageschichte um einen Hinweis und ein Zeichen. Die tatsächlichen Ereignisse im und um das Leben von Jesus übersteigen die Schlachtung in hohem Maße. In dem Brief an die Hebräer (insbesondere Hebr. 7 :11-22, 9:14, 25) wird darüber ausgesagt, dass wir ein „anderes Priestertum“, einen „anderen Priester“ mit einem „anderen Gesetz“ und einem viel „besseren Bündnis“ mit einem einzigen, geistlichen und „ewig gültigen, unbefleckten Opfer“ haben, nach der „Ordnung von Melchisedek“, der als König-Priester Brot und Wein an Abraham gab (Gen. 14: 18).
Das Opfer von Jesus war kein Opfer nach den levitischen Vorschriften und Er ist kein Priester nach diesen Vorschriften. Er ist wohl ein Versöhnungsopfer und ein Auszugslamm („Passagelamm“), aber nach der Ordnung von Melchisedek (ewig und geistlich). Sein Priestertum und sein Opfer sind von einer völlig anderen Ordnung, wovon die alte Ordnung „nur“ ein Schatten ist.
Wenn Johannes Jesus „das Lamm Gottes“ nennt (Joh 1, 29), dann bezieht er sich nicht ausschließlich auf das Paschalamm, sondern auf das rettende Opfer des neuen und ewig dauernden Bündnisses, das alle anderen Opfer, darunter das Paschalammopfer, erfüllt. Sein Opfer ist ein Opfer seines Blutes (= Leben), womit er den Himmel selbst für die Menschheit zugänglich gemacht hat.
Jesus „ist also nicht vergleichbar mit dem Hohepriester, der jedes Jahr in das Heiligtum einkehrt, und mit dem Blut, das nicht das seine ist." (Hebr. 9: 25). Die Annahme dass Jesus zum Zeitpunkt der Schlachtung der Paschalämmern starb, suggeriert eine Verbindung zu der levitischen Opferpraxis innerhalb des Gesetzes von Moses, die weit von den Absichten des neuen Bündnisses entfernt steht.

 

2. Wenn Jesus bei den Synoptikern beim Mahl des Paschalammes die eucharistischen Einleitungsworte ausspricht, sind diese mit Brot und Wein verbunden und nicht mit Fleisch und Blut des Paschalammes. „Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, segnete es, brach das Brot und gab es den Jüngern mit den Worten: ‚Nehmet, esset, das ist mein Leib’“ (Matth. 26: 26). Jesus hätte während des Essens des Paschalammes auch sagen können: ‚das ist mein Leib’, mit dem Verweis auf das Fleisch des Paschalammes. Er verweist im Gegensatz dazu auf das Brot und den Wein, die Gaben von Melchisedek an Abraham und die Symbole seiner „eigenen Pascha“ und die Symbole von Gottes Königsreich.
In Kapitel 6 des Johannesevangeliums verweist Jesus auch auf das Brot aus dem Himmel, und identifiziert sich selbst mit diesem. An keiner Stelle sagt Er (was naheliegend wäre), dass Er das Paschalamm ist, das beim jüdischen Paschafest gegessen wird. Wohl sagt er: „Ich bin das lebendige Brot ... und dies ist mein Leib“ (Joh. 6: 51).
Johannes verweist auf Jesus zweimal als „Lamm Gottes“ (Joh. 1: 29,36). Dabei verwendet er nicht das Wort für Paschalamm („Pascha“), sondern ein allgemeines Wort für Lamm. Johannes will anscheinend die allzu direkte Verbindung mit dem jüdische Paschalamm vermeiden. Wenn er diese Verbindung doch machen wollte, hätte er einfach das Wort „Pascha“ benützen können („siehe das Pascha von Gott“).
Auch verweist Johannes in Kapitel 19:36 auf das Wort in der Schrift, „dass kein Bein von Ihm gebrochen werden sollte“. Jesus wird zusammen mit zwei Anderen, die namenlos bleiben, gekreuzigt, mit Jesus „in der Mitte“ (Vers 18). Von den beiden anderen werden die Gebeine gebrochen, aber von Jesus nicht, da Er schon gestorben war. Johannes weist auf die Ungebrochenheit der Gebeine hin und dies ist eine Charaktereigenschaft des jüdischen Paschalammes, Exodus 12:46. Aber die Ungebrochenheit der Gebeine ist auch eine Charaktereigenschaft der Gerechten, und ein Versprechen an diese Gerechten in Psalm 34:20.
Die Ungebrochenheit der Gebeine bezeichnet Vollkommenheit, Recht/Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit.
Obwohl die Assoziation mit dem jüdischen Paschalamm, wovon die Gebeine nicht gebrochen werden dürfen, deutlich anwesend ist, wird Jesus durch Johannes hier zur Mitte der Namenlosen und Ungerechten dargestellt als der Gerechte, wessen Gebeine nicht gebrochen werden. Die typologische Übereinstimmung mit dem jüdischen Paschalamm gilt hier nur, was die Ungebrochenheit der Gebeine betrifft: die Qualität des Lebens, das Recht/die Rechtschaffenheit. Mit dem Zitat von Johannes in 19:36 verweist er nicht so sehr auf das jüdische Paschalamm selbst, sondern auf die „Ungebrochenheit“ der Gebeine, der Rechtschaffenheit.
Viele Ausleger, auch Benedikt, betonen den Verweis auf Exodus 12:46, auf das jüdische Paschalamm. Bei Johannes geht es meines Erachtens doch vor allem um den Gerechten, der durch Gott gerettet wird, und der dafür sorgt, dass seine Gebeine nicht gebrochen werden (Ps 34).
Über das Sterben von Jesus schreibt Benedikt: „Es ist die Stunde, in der die Paschalämmer geschlachtet werden. Von den Lämmern darf kein Bein zerbrochen werden“ (Exodus 12:46). Jesus erscheint hier als „das wahre Paschalamm, das rein und vollkommen ist“ (S 202).


Es ist deutlich, dass das jüdische Paschalamm als ein Schatten des wahren Paschalammes des neuen Bündnisses gesehen werden kann. In diesem Sinne hat Benedikt recht.
Jedoch: die typologische Übereinstimmung zwischen Jesus als Paschalamm und dem jüdischen Paschalamm ist gering. Das jüdische Paschalamm und sein Blut konnten das Urteil wohl vorbeiziehen lassen, aber nicht aufheben. Das Urteil bleibt kommen und das Blut des jüdischen Paschalammes bleibt notwendig, bis das Urteil selbst ausgeschaltet ist.
Dieses ist nun geschehen mit dem neuen Bündnis. Jesus Opfer ist also von einer völlig anderen Art als das jüdische Paschalammopfer. Die beiden Opfer haben dann auch wenig gemeinsam:
nicht die Auswahl am 10. Nissan,
nicht die Kontrolle und das Einverständnis der Priester
nicht die Schlachtung am 14. Nissan,
nicht das Rösten,
nicht die Verbrennung der Reste.

 

Die typologische Übereinstimmung ist jedoch, dass es in beiden Fällen um fleckenlos, ungebrochen und gerecht Leben geht, sowie um Blut, das gegeben wird.

 

Jesus gleicht mehr den Erstgeborenen aus der Exodusgeschichte, die unter das Urteil fallen und getötet werden. Er allerdings, konnte das Urteil, im Gegensatz zu den Erstgeborenen tragen und überwinden, und das mit einer universellen, stellvertretenden Bedeutung.
Jesus ist kein Paschalamm im Sinne des jüdischen Paschalammes als levitisches Opfer. Und Johannes und die Synoptiker sind sehr zurückhaltend mit einer Verbindung zum jüdischen Paschalammopfer und den diesbezüglichen Vorschriften, da Jesus als erlösendes Paschalamm des neuen Bündnisses eine ganz andere Wirklichkeit bringt, außerhalb des Gesetzes von Moses.    

 

Die Chronologie bei Johannes in den Kapiteln 12 bis 20

Ich gehe von der Übereinstimmung mit der Chronologie der Synoptiker aus, dass Jesus also am Donnerstagabend nach Sonnenuntergang das Paschamahl zu sich genommen hat, und dass Er am ersten jüdischen Paschatag von jenem Jahr am Freitagnachmittag vor dem Sabbat starb.

 

„Sechs Tage vor Paschafest“, 12:1
Im ganzen Evangelium von Johannes werden drei Paschafeste genannt, nämlich in Johannes 2,6 und 12. Nirgendwo wird die Schlachtung der Paschalämmer vor diesem Fest genannt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich bei Johannes ab Kapitel 12 alles um das bevorstehende Paschafest dreht. Jesus macht sich auf den Weg zum dritten Paschafest, seinem letzten Pascha. Noch sechs Tage und dann ist es Pascha am siebten Tag, und danach ist es („ein großer“) Sabbat am achten Tag. Johannes sagt meiner Einsicht nach damit, dass dieses Pascha eine besonderes Pascha ist: Es ist das vollkommene Pascha, denn an diesem Tag hat Gott alles vollbracht (Joh.19: 30). Alles in seiner Geschichte ist auf Pascha ausgerichtet. Wenn man davon ausgeht, dass Jesus am Tag vor diesem Paschafest (zusammen mit den Paschalämmern) stirbt, dann kann man sich fragen, warum Johannes dann so auf den Tag dieses speziellen Paschafestes selbst hinarbeitet.
Jesus und die Jünger kamen dann „sechs Tage vor Ostern“ nach Bethanien zu Lazarus, Martha und Maria. An diesem Abend fand „zu Ehren von Ihm“ ein Mahl statt. Dies ist ungezweifelt ein Sabbatmahl, ein Mahl, das am Ruhetag des Herrn stattfindet. Jesus kam so, in der Wiedergabe von Johannes, am Freitag tagsüber in Bethanien an. Sieben Tage danach ist Pascha, Freitag, der 15. Nissan, nach dem der Sabbat (der „groß“ war) beginnt, der achte Tag der traditionellen Andeutung vom Beginn der messianischen Zeit.

 

„Am folgenden Tag...“ 12:12
„Am folgenden Tag...“ setzte sich Jesus außerhalb der Stadt auf einen Esel, während die Volksmenge ihm mit Palmzweigen zum Zeichen des Sieges zujubelten: „Der König kommt!“ Dieser Tag war der Tag nach dem Sabbat, der ersten Tag der Woche, in der Geschichte auch Palmsonntag genannt.
Dieser Tag wird assoziiert mit den Palmzweigen und Lobpreisungen des Laubhüttenfestes, obwohl dieses Fest eigentlich sechs Monate später stattfindet. Was dieser König wohl als Versprechen mit sich trägt, ist die Universalität seines Friedens, so wie dies auch u. a. beim Laubhüttenfest gefeiert wird (Zach. 14: 16).

In dieser Chronologie ist dies der 10. Nissan, der Tag an dem das alttestamentliche Paschalamm ausgewählt wird (Exodus 12:3). Es wird durch Ausleger häufig auf eine Übereinstimmung hingewiesen, als ob hier Sprache ist von einem Typ der Auswahl von Jesus als Paschalamm. Ich bezweifle, ob diese typologische Lesung anzuwenden ist, da Johannes (und auch die anderen Evangelisten) nachdrücklich die Wahl von Jesus am Anfang seiner Geschichte beschreibt, wo Johannes der Täufer erklärt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“ und „Ich habe den Geist wie eine Taube aus dem Himmel herabschweben sehen, und er blieb auf Jesus“ (Joh. 1:29-34, auch Matth. 3:16, Mark. 1:10, Luk. 3:22). Johannes gibt sich auch keine einzige Mühe um diese Verbindung herzustellen.
Gottes König kommt, aber wird Er akzeptiert? Das ist nicht der Fall. Dieses „Paschalamm“ ist nicht am 10. ausgewählt und soll nicht am 14. geschlachtet werden, so wie das Gesetz es erfordert, aber es soll außerhalb des Gesetzes gestellt werden, ausgeliefert an die Heiden und am 15. Nissan verurteilt werden .

 

„Kurz vor Pascha“, 13:1
„Kurz vor dem Paschafest“ nimmt Jesus zusammen mit seinen Jüngern „ein Mahl“ zu sich. Dieses könnte am Abend vor dem Pascha-Abend, also Mittwochabend, stattgefunden haben. Häufig wird angenommen, dass dieses Mahl, so wie in Joh.13 beschrieben wird, das Paschamahl ist. Der Text gibt uns keine Anleitung dazu. Johannes spricht über „ein Mahl“. Nirgends in diesem Kapitel verweist er auf die jüdische Feier des Paschafestes mit dem Paschamahl. Im Gegenteil, Johannes sagt, dass dieses Mahl kurz vor dem Paschafest stattfand (Vers 1). Die eucharistischen Einführungsworte, die Jesus bei seinem Letzten Mahl ausgesprochen hat, kommen nicht vor.

Johannes beschreibt kein Paschamahl, sondern benutzt dieses Mahl, neben der Wiedergabe der Gespräche mit Jesus, für die Beschreibung des Themas Verrat: Jesus wird hier verkündigt als der Gerechte Diener (Fußwaschung), der durch sein Leiden die Menschheit rechtfertigt/reinigt. („Er, der von meinem Brot aß, hat sich gegen mich gewendet“, 13:18).
Benedikt verfolgt die Auffassung, dass dieses das letzte Abendmahl ist, aber nicht das jüdische Paschamahl. Er sagt: „... Johannes, der sich alle Mühe gibt, um das letzte Abendmahl von Jesus nicht als Pascha darzustellen.“ (S.106). Dass dieses Mahl das letzte von Jesus sein sollte, geht nicht deutlich aus dem Text hervor. Dieses Mahl ist offensichtlich nicht nur kein Paschamahl, sondern auch kein letztes Abendmahl. Es ist wohl das letzte Mahl von Jesus, über das in diesem Evangelium berichtet wird.

Warum lässt Johannes die Beschreibung des jüdischen Paschamahles weg? Man kann sagen, dass die Zeit dafür noch nicht reif war, sie musste noch kommen. Aber auch nachdem Jesus starb, wird in Johannes mit keinem Wort über dieses Paschafestmahl gesprochen, sondern über „Vorbereitung“ und den bevorstehenden „großen Sabbat“. Es tut bei Johannes einfach nichts zur Sache, oder stärker noch, und hier verweist Benedikt darauf: Er erweckt den Eindruck dass er es absichtlich weglässt. Warum tut er das? Siehe Auslegung über Johannes 15, 16, 17. „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“

 

„Komm, lass uns von hier fortgehen“, 14:31
Nach diesem Mahl sagt Jesus: „Komm, lass uns von hier fortgehen.“
Von wo kommen sie her und wo gehen sie hin? Die letzte Angabe von einem Ort ist Bethanien (12:1), so dass mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass Jesus aus Bethanien, wo er sich aufhielt, weggegangen ist. Und er geht nach Jerusalem, wohin er die ganze Zeit unterwegs war, um da sein Pascha über sich ergehen zu lassen (und das jüdische Pascha zu feiern, worüber Johannes nichts schreibt).

 

„Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“, 15, 16, 17
„Ich bin der wahre Weinstock ... ...Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“ (15:1,3). So beginnt unverblümt die folgende Episode. Kapitel 15, 16 und 17 sind eine lange Wiedergabe der Abschiedsworte Jesu. Es ist eine große Pascharede mit einem abschließenden Gebet. In der Geschichtslinie der Synoptiker würde hierauf die Wiedergabe vom jüdischen Paschamahl folgen. Was tut Johannes hier? Kein jüdisches Paschamahl, sondern Johannes legt hier, meiner Meinung nach, die Bedeutung des jüdischen Paschamahls aus, so als sie im neuen Bündnis erfüllt wird. Die Rituale des jüdischen Paschamahls erhalten ihre volle Bedeutung und Erfüllung im Leben und Wort Jesu.

-Der Wein, ein Bild der Freude vom Königsreich, ist der Leitfaden durch das ganze Mahl. Es sind 4 Becher, die während dieses Mahls getrunken wurden. Und über den ersten davon wird ein Segen ausgesprochen: „Gesegnet seist Du, Herr, unser Gott, König der Welt, der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat." Jesus sagt zweimal: „Ich, ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, trägt viel Frucht.“

 

-In dem Haus ist kein gesäuertes Brot mehr zu finden, sieben Tage lang gilt dieses Gesetz. Dieses Brot ist Symbol der Unreinheit (Sünden und „Aufgeblähtheit“). Man musste rein sein vor Gott, so dass das Urteil vorüber ziehen sollte. Jesus sagt: „Ihr seit seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“.

 

-Man aß bittere Kräuter und in Salzwasser getauchtes Wurzelgemüse (z. B. Zwiebeln) als ein Bild des Leidens und der Tränen aufgrund von Sklaverei und Unterdrückung. Jesus warnt vor dem Hass der Welt, vor der Vertreibung aus der Synagoge, vor schwerer Unterdrückung in der Welt, und er verspricht den Tröster, den Geist der Wahrheit und der Überwindung.

 

-Das Blut des Paschalammes ist an den Türpfosten angebracht, das Urteil geht vorüber. Jesus beendet seine Erklärung mit dem Versprechen: Ich habe die Welt überwunden. Er gibt sein Leben, sein Blut als Paschalamm des neuen Bündnisses an die Menschen: das ist sein Sieg.

 

In Kapitel 15 und 16 legt Jesus das neue Bündnis anhand der Rituale des Paschamahls des alten Bündnisses aus, und er erstellt ein „neues“ Gesetz (15:12,17). Nach dieser Auslegung betet Er in Kapitel 17 als Hohepriester des Neuen Bündnisses. Es ist Donnerstagabend nach Sonnenuntergang, der 15. Nissan, Pascha.


Johannes gibt in Kapitel 15, 16 und 17 wieder, was Jesus gesagt hat, zu der Zeit, dass das jüdische Pascha gefeiert und das Mahl gegessen wurde. Er beschreibt nicht das Paschamahl selbst, da Jesus’ Wort die Bedeutung dieser Mahlzeit erfüllt und ersetzt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“. Sein Wort, das er selbst ist und das vollständig und vollkommen rein macht, ist das wahre Pascha des Neuen Bündnisses, das das jüdische Pascha ersetzt und erfüllt, in diesem Evangelium sogar wörtlich.
Die Zubereitung dieses Paschalammes beginnt nun.

 

„Jenseits des Kidronbaches“, 18:1
Nach dem Schlussgebet geht Jesus „auf die andere Seite des Kidronbaches“ zum Olivengarten, wo er gefangen genommen wird. Er wird durch die Hohepriester Annas und Kaiphas verhört. Es ist dann Donnerstagabend / Nacht, nach der jüdischen Feier des Paschamahls.
 
 „Früh am Morgen“ 18:28
Jesus wird „früh am Morgen“ zum Richthaus (Pretorium) zu Pilatus gebracht.
Es ist Freitagmorgen, der erste Tag des Paschafestes. Die Juden gingen nicht in das Richthaus hinein, „um sich nicht zu verunreinigen vor dem Pesachmahl“. Dies ist der einzige Vers, woraus entnommen werden könnte, dass Jesus zu dem Zeitpunkt starb, an dem die Paschalämmer geschlachtet wurden, da dieser Vers suggeriert, dass das jüdische Passahmahl noch gegessen werden musste. Aber es kann auch auf eine andere Weise gelesen werden. Das Paschafest, mit dem Fest der ungesäuerten Brote, dauerte 7 Tage, und das Gesetz der zeremoniellen Reinheit im Zusammenhang mit diesem Fest, seiner besonderen Mahlzeiten in der Woche, und dem ungesäuerten Brot galt während dieser 7 Tage. Es kann daher als ‚verunreinigt’ verstanden werden im Zusammenhang mit „dem Essen des Paschafestes“ im Allgemeinen. Es muss hier nicht unbedingt um das Paschalamm gehen, dass am Festabend des 15. Nissan gegessen wird, sondern kann auch auf das Festmahlopfer des ersten Tages verweisen, oder selbst noch auf die 7 Tagen des Festes der ungesäuerten Brote (vgl. 2 Kor. 30:22).

 

Was Johannes hier besonders deutlich machen will ist, dass Jesus, der Reine, ausgeliefert wird an die ‚unreinen’ Heiden, durch welche Er ‚erhöht’ werden soll am Kreuz (3:14, 8:28). Jesus wird aus der Synagoge, der Gemeinschaft Israels vertrieben, und diejenigen die dies tun, denken damit Gott zu dienen und sich selbst rein zu halten (16:2).
Es geht hier um die „Verunreinigung“. Johannes sagt, sie wollten sich nicht verunreinigen im Zusammenhang mit dem Essen von Pascha. Dennoch hineingehen und Ihm folgen, das Essen von diesem Paschalamm ist für die Juden eine „Verunreinigung“. Für die Juden gilt: Wer Ihm folgt, verunreinigt sich selbst vor dem Gesetz und stirbt, um mit Ihm, dem Reinen, zu leben. Denn er hat uns die Erlösung gebracht unabhängig vom Gesetz (Röm. 3:21), und zwar am 15. Nissan. Wer Jesus folgt, gibt den Schutz des Gesetzes auf und findet seine „Reinheit“ in Ihm. Dann ist das Alte vorbei, und das Neue gekommen, (2 Kor. 5:17).

 

„An Pascha“, 18:39
Pilatus schlägt vor, Jesus freizulassen, weil „es bei euch gebräuchlich, dass ich Jemanden an Pascha freilasse“.


„Vorbereitung“: Verurteilung, Sterben und Grablegung, 19:14, 31, 42
„Um die Mittagszeit“ wird Jesus verurteilt und abgeführt um gekreuzigt zu werden. Es ist „Vorbereitungstag für Pesach“. Das kann einfach als die „Vorbereitung zum Sabbat während des Paschafestes“ verstanden werden, somit also der Freitag. Da ‚Vorbereitung’ der Tag vor dem Sabbat ist (vgl. Joh. 19:31, 42), an dem hauptsächlich die Mahlzeiten für den kommenden Tag (vor)bereitet werden. Auf die gleiche Weise wird das Wort in den anderen Evangelien gebraucht, siehe Matth. 27:62, Mark. 15:42, Luk. 23:54. Jesus stirbt am Nachmittag und wird vor Sonnenuntergang tot vom Kreuz abgenommen und in ein Grab gelegt, in Übereinstimmung mit den jüdischen Regeln zum Sabbat. Über das Paschafest oder das Paschamahl, das noch beginnen muss, wird weiter nichts gesagt, es kommt nicht zur Sprache bei Johannes.

 

In Kapitel 19 wird dreimal gesagt: „Es war Vorbereitung“:
zum Zeitpunkt von Jesus Verurteilung,
zum Zeitpunkt seines Todes und
zum Zeitpunkt seiner Grablegung.


Hiermit wird also auf den Tag vor dem Sabbat, den Freitag verwiesen.
Aber Johannes spielt durch sein ganzes Evangelium mit doppelten Bedeutungen:
Brot ist auch ‚Brot’ (vom Himmel), Wasser ist auch ‚Wasser’, Wein ist auch ‚Wein’, Tempel ist auch ‚Tempel’, Licht ist auch ‚Licht’, Lamm ist auch ‚Lamm’, Essen ist auch ‚Essen’, Pascha ist auch ‚Pascha’, Sabbat ist auch ‚Sabbat’ und Vorbereitung ist auch ‚Vorbereitung’.
Die „Vorbereitung auf Pascha“ (19:14) kann dann auch gelesen werden als der Tag, an dem Gott seine Vorbereitung trifft und seine Speise bereitet. Gott bereitet sein Paschalamm des neuen Bündnisses, das Brot aus dem Himmel, als Mahl für die Menschheit (vgl. 6:51-55). Das Opfer vom Lamm Gottes wird gebracht und dass ist die Erhöhung / Kreuzigung von Jesus. Der Tod von Jesus ist die Vorbereitung auf das Sabbatfestmahl von Gott für alle Menschen. Dann folgt der Sabbat und „der Tag des Sabbats war groß“ (19:31). Auf Gottes Vorbereitung auf Pascha folgt „der große Sabbat“, der achte Tag, der Beginn des messianischen Zeitabschnittes.


Es war für die Juden „Vorbereitungstag“ (19.42): Die Juden haben ihr eigenes Paschalamm bereitet. Ohne es zu erkennen, haben sie ihren eigenen „Auszug“ mittels des Paschalammes des neuen Bündnisses (vor)bereitet.

 

Wenn Johannes deutlich hätte machen wollen, dass Jesus gleichzeitig mit den Paschalämmern gekreuzigt wurde, warum ist dann das jüdische Paschamahl und der Tag der Schlachtung bei ihm dann so im Hintergrund, so abwesend geblieben? Johannes konzentriert sich – ganz im Gegenteil – im Großen und Ganzen nicht auf die Verdeutlichung dieser historischen Daten und deren Gleichzeitigkeit. Er beschreibt das Pascha von Gott durch das Wort Jesu, dass vollständig und vollkommen reinigt, und das alle jüdischen Opfer erfüllt und ersetzt. Johannes verkündigt die „Bereitung“ dieses Pascha (19:14), das Opfer des Paschalammes des neuen Bündnisses für alle Menschen.

 

„Der erste Tag der Woche“, 20:1
Es ist „der erste Tag der Woche“, Sonntag, an dem die Auferstehung Jesu, als Erster der Verstorbenen (1 Kor. 15:20) stattfindet. Dies ist der Tag, an dem die erste Ernte (der „Erstlinge“) vor Gott in den Tempel dargebracht wird.

 
Zusammenfassung und Schlussfolgerung:
Starb Jesus am selben Tag / zur selben Zeit, an dem das jüdische Paschalamm geschlachtet wurde, dem 14. Nissan, oder starb Er am Paschafesttag selbst, dem 15. Nissan? Diese Frage ist nicht nur eine intellektuelle Herausforderung für interessierten Parteien, aber geht um das Herz des Evangeliums als eine universelle Botschaft für alle Menschen.
Die synoptischen Evangelisten machen vollkommen deutlich, dass Jesus am Festtag selbst starb. Dieser Tag war ursprünglich ein furchterregender Tag des Urteils über die Erstgeborenen von Ägypten. Jesus, als Erstgeborener der Menschheit, starb stellvertretend an diesem speziellen Tag.
Die Evangelisten sind äußerst zurückhaltend mit der Beschreibung von Jesus als jüdisches Paschalamm. Jesus entspricht nicht den Anforderungen für ein geeignetes Paschalamm des alten Bündnisses, auch nicht im typologischen Sinn, wie beispielsweise sein Sterben am Nachmittag des 14. Nissan.
Johannes erwähnt nirgendwo die Schlachtung der Paschalämmer. Er beschreibt kein jüdisches Paschamahl und keine eucharistischen Einführungsworte. Dennoch ist alles in seinem Evangelium auf Jerusalem und auf das Paschafest ausgerichtet. Und es geht auch um Pascha in seiner Erzählung:
Am Tag und am Zeitpunkt des jüdischen Paschamahls erklärt Jesus als Hohepriester des neuen Bündnisses die Bedeutung des Paschamahls so wie diese durch sein Wort erfüllt wird im neuen Bündnis (Kapitel 15, 16, 17). Das jüdische Paschamahl wird bei Johannes wörtlich ersetzt durch das Wort des neuen Bündnisses.
An dem jüdischen Festtag wird das Paschalamm des neuen Bündnisses (vor)bereitet. Johannes hält sein Spiel mit den doppelten Bedeutungen bis zum Ende aufrecht. Das Paschafest der Juden ist der (Vor)Bereitungstag von dem Pascha von Gott und von dem neuen Bündnis für alle Menschen (19:14).
Ich denke, dass Johannes mit den Synoptikern einer Meinung war, dass Jesus am Paschafest, dem 15. Nissan starb.


Ich habe unter anderem folgenden Quellen genutzt:
Bibelkommentare die im Internet gefunden werden können, so z. B.
Albert Barnes, John Lightfoot, John Gill, John Wesley u. a.
Online Bibel, Studienausgabe von Importantia.com
Catechism of the Catholic Church, http://www.vatican.va/archive/index.htm
http://www.jewishvirtuallibrary.org/
http://www.chabad.org/
The Eerdmans Dictionary of Early Judaism, 2010
John P. Meier, A Marginal Jew, volume 1, 1991
Joseph Ratzinger, Benedictus XVI, Jezus van Nazareth, Deel II, van de intocht in Jeruzalem tot de opstanding, Lannoo, 2011 (Seitennummern von Zitaten aus dem Buch von Benedikt XVI verweisen auf die niederländische Übersetzung).